Das sicherste Gefängnis der Welt

Alcatraz – Welcome to the Rock!

Alcatraz oder wie die Amerikaner sagen “The Rock” liegt etwa 2,4 km entfernt von der Küste direkt vor San Franciso – bester Blick auf die Golden Gate Bridge und auf die Skyline der Stadt. Ausgebaut als Militärstützpunkt und später als Militärgefängnis stand hier zwischen 1933 und 1963 das sicherste Gefängnis der Welt: insgesamt 1576 Häftlinge, gerade einmal 14 bekannte Ausbruchsversuche,angeblich keiner davon erfolgreich. Alcatraz gilt bis heute als ausbruchssicher.

Bevor man Ausbrechen kann muss man bekanntlich erstmal reinkommen und das Rein- bzw. Draufkommen ist heute fast ähnlich schwer wie damals, zumindest in der Hauptsaison und während der Fleet Week. Für unsere Woche in San Francisco können sie und noch genau 2 Karten und zwar für genau jetzt anbieten, alles andere sei ausgebucht. 4 Personen auf einem Boot? Nicht in dieser Woche, ab dem 14ten wieder … Die Dame am Ticketschalter konnte oder wollte uns nicht so wirklich weiterhelfen. Alles argumentieren brachte nichts, Niclas und ich mussten den ersten Versuch am Pier 33 noch Karten für Alcatraz zu ergattern erfolglos aufgeben – bereits nach 5 Minuten. Eine Australierin die uns wohl beobachtet hatte und die mit ihren ausgedruckten Ticket in der Hand grinsend an uns vorbeilief ließ auf Nachfrage schnippisch verlauten: „Nee also so kurzfristig wird das nichts, das hatten mir Freunde auch schon gesagt. Ich habe mein Ticket schon vor zwei Monaten, noch in Australien gebucht …“ Möpmöpmööp, woher sollen wir denn bitte wissen wann wir in San Francisco sind? Und außerdem wer plant denn bitte seinen Gefängnisbesuch 2 Monate im Vorraus? Das macht doch nun wirklich niemand. Wie dem auch sei, wir mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen, wir sollten online immer mal wieder gucken ob etwas verfügbar sei, in ganz seltenen Fällen springen Menschen wieder ab und man könne ja Glück haben …

Knappe 5 Stunden später, stehen wir wieder am selben Pier (ist ja auch schön, da kann man auch zweimal lang gehen), diesmal fragen die Frauen und diesmal haben wir Glück. Was zuvor unmöglich schien und schon für schlechte Laune sorgte war mit einem erneutem Nachfragen gegessen. 4 Tickets für Samstag Mittag, angeblich gerade frei geworden. Glück wie ein Schornsteinputzer hätten wir gehabt … oder zumindest so ähnlich.

Wie kommt man nach Alcatraz?

Während früher niemand so wirklich noch Alcatraz wollte, einige aber dennoch mussten sorgt heute eine Fähre dafür, dass der Touristenstrom nicht abbricht. Gefühlt jede Stunde fährt eine (immer ausgebuchte) Fähre vom Pier bis zur Insel. Die gefühlt 500 Menschen aus aller Welt, einige ransblöde Klischee-Amerikaner, die knallende Sonne und bestimmt noch eine vierte ganz immens wichtige Kleinigkeit ließen meine Laune kurz bevor es los ging ziemlich in den Keller fallen. Wie interessant kann denn bitte eine Gefängnisinsel sein? Habe ich ja auch schonmal gesehen und überhaupt. Ich hatte in etwa so viel Lust wie Al Capone als er 1934 seine Reise nach Alcatraz antrat.

Angekommen auf der Insel durchläuft man zuerst die Angestellten-Siedlung. Man denkt da ja selten drüber nach, auf Alcatraz lebten neben den Gefangenen auch bis zu 300 Zivilisten, darunter auch Familien mit Kindern und allem drum und dran. Nicht die beste Wohngegend nehme ich an, ruhig war es aber wohl immerhin. Sogar einen Spielplatz hatten die Kinder. Ist ja auch nett so eine Insel mit lauter Schwerverbrechern …

Die Gebäue sind zum Teil schon etwas heruntergekommen, sorgen aber mit ihrer monotonen Einfarbigkeit für einen ganz guten ersten Eindruck was einen auf der Insel erwartet. Ehe es so richtig los geht besuchen wir ein unterirdisch gelegenes Kino. Es läuft zum einen ein kurzer Infofilm über das Gefängnis und die Insel, außerdem ein Imagefilm zur zeitgleich auf Alcatraz stattfindenden Ai Weiwei Ausstellung. In einem kleinem Shop kann man allerlei Souvenirs kaufen – die hellblauen Gefängnishemden gefallen mir zusammen mit den 9 Comics, die jeweils einen Ausbruchsversuch thematisieren am besten. Natürlich kaufen wir nichts, die in Südamerika angeeignete Sparsamkeit und mein im Lipperland anerzogener Geiz verhindern solche Gedanken meist erfolgreich bevor sie überhaupt aufkommen. Muss man ja auch alles schleppen, diesen Klüngel…

Muss man auch schleppen, kostet aber kein Geld, währe aber sogar das wert gewesen – der Audio Guide. Betritt man den Zellenblock und damit das eigentliche Hauptgebäude Alcatraz hat man die Wahl: Audio Guide ja oder nein? JA! Wenn ihr mal in die Situation kommen solltet, nehmt den Audio Guide. Den Guide gibt es in zig verschiedenen Sprachen – sogar auf Deutsch. Hörspielähnlich aufbereitet führt er für etwa eine Stunde mitreißend durch den Gefängniskomplex. Erzählungen ehemaliger Häftlinge und Wärter sorgen dafür, dass man einen sehr guten Eindruck bekommt, wie das Leben hier von 1933 bis 1963 ausgesehen haben muss und man ist mitten im Geschehen.

Und? Wie ist Alcatraz so?

Alcatraz ist zuerst einmal größer als ich es mir vorgestellt hatte, die vorher noch so gefürchteten Touristenmassen verlaufen sich in dem Komplex und auf der Insel ganz gut. So wirklich viel scheint sich seit dem Auszug der letzten Gefangenen nicht verändert zu haben. Im Zellenblock sind einige Zellen eingerichtet als würden sie noch bewohnt werden – spärlich, aber immerhin. Die Schließanlage funktioniert noch und sorgt mit dem lauten zufallen der Schlösser noch immer für ein komisches Gefühl. Auch die ehemalige Bibliothek ist noch nahezu erhalten. Im Großen und Ganzen, wie man es aus dem Fernsehen kennt. 3 Etagen, kleine 1,5 m breite, 2,8m lange Zellen, massive Gitter, irgendwie unheimlich. Wem das nicht reicht, für den gibt es 5 Spezialzellen mit dem verlockenden Beinamen “das Loch”. Das Loch beschreibt ganz gut was es hier zu sehen gibt. Nichts. Eine Toilette und ein Waschbecken sonst nichts, nichtmal ein Fenster. Wer ins Loch kam hatte Anspruch auf Essen, eine 10-minütige Dusche und eine Stunde Freigang (pro Woche!) den Rest der Zeit verbrachte man in absoluter Dunkelheit.  Neben den Zellen hat man heute auch Zugang zu den Räumen der ehemaligen Wärter und der Küche, alles sehr steril und ohne irgendwelche Überraschungen. Gefängnis eben.

@LARGE

Die alten Arbeitsräume und Werkstätten sind inzwischen leergeräumt und bieten Platz für Ausstellungen, beispielsweise für Ai Weiwei und seine “@LARGE” Ausstellung. Large war, so glaube ich jedenfalls, eine der ganz wenigen Kunstausstellungen, bei denen mir das Konzept bzw. der Gedanke dahinter besser gefallen hat, als die Ausstellung an sich. Kann aber auch daran gelegen haben, dass eine Ausstellung zum Thema Freiheit und Menschenrechten auf einer ehemaligen Gefängnisinsel an sich schon vielversprechend ist. Kunst zu beschreiben ist immer so eine Sache, deshalb gibt es “nur” Fotos.

Ausbruchsicher! Aber, da war doch mal was …

Bei 14 Ausbruchversuchen mit insgesamt 36 Beteiligten sind 6 auf der Flucht gestorben, 23 wurden wieder “eingefangen” und von 5 fehlt bis heute jede Spur. Der erste unaufgeklärte Fluchtversuch ereignete sich 1937 als Theodor Cole und Ralph Roe Gitterstäbe in einem Arbeitsgebäude durchfeilten und im dichten Nebel für immer verschwanden. Aufgrund schlechten Wetters und eisiger Kälte (im Dezember) wurden sie im Nachhinein als Tot erklärt, selbst wenn bis heute keine Leichen gefunden wurden.

Die wohl filmreifste Flucht gelang Frank Morris und den Anglin Brüdern im Juni ´62. Nach monatelanger Vorbereitung verschwanden sie nachts durch angeblich mit Löffeln “gebohrte” Löcher in ihren Zellen durch einen Versorgungsschacht, über das Dach und später mit einem aus Regenjacken gebauten Floß. Dass sie verschwunden waren bemerkten die Wärter erst morgens. Mit Attrappen aus Pappmaché hatten sie sichergestellt, dass Nachts niemanden auffiel, dass das Bett nicht mehr belegt ist.

Selbst wenn bis heute nicht abschließend geklärt ist, ob und wenn ja wie sie das gegenüberliegende Ufer erreicht haben wünscht man es ihnen irgendwie.

Da ein Aufenthalt auf Alcatraz heute dann doch deutlich kürzer ausfällt als noch in den 60ern machen wir uns nach etwa guten 3 Stunden wieder auf den Rückweg. Der Besuch war jede Mühe und Dollar wert (38 um genau zu sein) und für uns ein absolutes Highlicht in San Francisco!

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